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AutorenbildRea Eldem

Safe(r) Spaces: Was sie sind und warum wir sie brauchen


Seit letztem Monat bieten wir in unserer monatlichen Veranstaltungsreihe, dem Throw Up Thursday, die Möglichkeit sich zu Themen rund um Arbeitskultur auszutauschen. An einem Donnerstag im Monat bieten in diesem Format eine Plattform zum gegenseitigen Berichten über Berührungspunkte mit patriarchalen Strukturen am Arbeitsplatz – für Frauen*, Inter, Trans und nicht-binäre Menschen.


Warum dürfen Cis-Männer nicht mitmachen?


Prompt erreichten uns Nachrichten aus unserer Community, die wissen wollten, warum der Throw Up Thursday Cis-Männern** vorenthalten sei. In den Gesprächen, die wir in diesem Zuge führten, stellten wir fest: (1) es gibt viele Missverständnisse im Zusammenhang mit safe(r) spaces und (2) einige Männer* wünschen sich ebenfalls Plattformen für den Austausch über feministische Themen, auch um von Frauen* zu lernen. Letzteres freut uns - wir tüfteln derzeit an entsprechenden Formaten. Dennoch denken wir, dass es wichtig ist, Räume für Frauen, Inter, Trans und nicht-binäre Menschen bereit zu stellen, um in einem sicheren (oder zumindest sichereren) Raum für den Austausch zu ermöglichen.



Safe(r) spaces, das sind Orte (im physischen oder nicht-physischen Raum), die darauf abzielen, Minderheiten ein Gefühl von (emotionaler) Sicherheit zu gewähren um sich zu vernetzen, auszutauschen oder gemeinsam zu gestalten. Warum brauchen wir das und wieso muss man hierfür andere Leute ausschließen?


Safe(r) Spaces: weil neutrale Orte nicht neutral sind.


Weil die „normalen“ Orte, die wir in unserer Gesellschaft bereitstellen und in denen Zusammenkünfte geschehen, nicht neutral sind. Neutral gibt es in unserer Gesellschaft nicht, denn die Macht darüber, wie Zusammenkünfte gestaltet werden, lag historisch gesehen bei weißen Männern, die diese an ihren Bedürfnissen orientiert haben. Diese Strukturen wirken heute noch nach, sie führen zum Beispiel dazu, dass Männer im öffentlichen Leben präsenter sind (vor allem abends und nachts), mehr Vorstände und anderen Führungsrollen und politische Ämter bekleiden. Vereinfacht könnte man sagen: die meisten Kontexte, in unserer Gesellschaft haben einen Bias (wie zum Beispiel das öffentliche Leben, die Arbeit, Forschung usw.).


In den Gender Studies verstehet man Kontexte, wie die oben aufgezählten, als gesellschaftliche Felder, dessen Kultur die gesellschaftlichen Geschlechterverhältnisse reproduziert (Paulitz, 2012). Sie haben eine vergeschlechtlichte Praxis etabliert, die so normalisiert ist, dass sie den meisten gar nicht auffällt. So zeigen Studien, dass beispielsweise der Redeanteil zwischen den Geschlechtern als ausgeglichen empfunden wird, selbst wenn Frauen* überdurchschnittlich oft unterbrochen werden und weitaus weniger sagen.


In der Forschung etablierte zum Beispiel der jahrhundertelange Ausschluss von Frauen einen inhärent männlichen Habitus des Wissenschaftlers. Dieses Bild prägt bis heute die Forschungskultur und stellt Formen der Benachteiligung von Frauen bis heute dar (Weller, 2006). Forschung und die damit einhergehenden Assoziationen ist als historisch gewachsener institutioneller Raum für die Reproduktion und Konstruktion von Zweigeschlechtlichkeit eine männlich dominierte Sphäre inder die “Rekonstruktion von Prozessen der Geschlechterunterscheidung” (ebd., S.127) stattfindet und Männer als geschlechtstypische Akteure mit entsprechenden organisatorischen Hierarchien stilisiert werden.


Diskriminierungserfahrung teilen - aber ohne Aufklärungsarbeit leisten zu müssen


Selbstverständlich profitieren nicht alle Männer von diesen Nachwirkungen. Auch Männer haben unter dem Patriarchat zu leiden, viele würden sich mehr Freiheit wünschen um sich frei zu entfalten oder machen die Arbeit gerne anders strukturieren. Dennoch sind die Konsequenzen für andere Gruppen deutlich schädlicher. Für Gruppen, die aufgrund ihrer sozialen Identitäten besonders unter dem Patriarchat zu leiden haben, kann ein Raum fernab von den Gegebenheiten und Machtaufteilungen ein wichtiges Werkzeug sein um sich auszutauschen und Erfahrungen zu teilen, die sie auf Basis ihrer Identitäten gemacht haben. Gerade wenn es um Diskriminierungserfahrung im Zusammenhang mit physischem und psychischen Wohlergehen geht, ist es hilfreich einen Raum zu stellen, indem Menschen ihre Erfahrungen teilen ohne sich dabei als Minderheit zu fühlen.


So sind beispielsweise Zusammenkünfte von BIPoC, die explizit weiße Personen ausschließen, eine Möglichkeit um kollektive Erfahrungen auszutauschen ohne sich für diese erklären oder gar rechtfertigen zu müssen. Oder ohne jene Aufklärungsarbeit leisten zu müssen, die für viele marginalisierte Communities den Alltag bestimmt. Sinn und Zweck ist, ähnlich wie bei Formaten, die Cis-Männer ausschließen, ein gemeinsames Verständnis der bestehenden Wirkungsmechanismen zu finden, die es für entsprechende Gruppen schwer bis unmöglich machen, in Systemen zu navigieren, in denen die Macht ungleich verteilt ist.

Auswege aus der Geschlechterdifferenzierung als kontinuierlicher sozialer Praxis


Es geht also weder darum, Cis-Männer aus dem Diskurs auszuschließen, noch darum ein Feindbild zu kreieren. Im Gegenteil: es geht eigentlich gar nicht um Cis-Männer. Sondern darum einen Raum zu schaffen, indem ein Miteinander entstehen kann, welches fernab von den Gegebenheiten ist, welche wir über Jahrhunderte geprägt haben. Da die Geschlechterdifferenzierung als kontinuierliche soziale Praxis, in unserer Gesellschaft fest verankert ist, braucht es einen diese zu durchbrechen, als Ausweg.



Unsere Formate richten sich explizit an Personen aller Gender. Manchmal kann es aber auch sinnvoll sein, geschützte Räume aufzumachen, in denen Personen auf gemeinsamen Erfahrungen aufbauen können.
Unsere Formate richten sich explizit an Personen aller Gender. Manchmal kann es aber auch sinnvoll sein, geschützte Räume aufzumachen, in denen Personen auf gemeinsamen Erfahrungen aufbauen können.


Für uns funktionieren safe(r) spaces punktuell. Sie sind Mittel zum Zweck, kein Selbstzweck. Ihre Idee ist es, Personen die Chance zu geben, über sehr persönliche Dinge zu sprechen, die andere nachempfinden können – weil sie auf Grund ihrer Gender-Identität in dieselbe Schublade gesteckt werden und entsprechende Erfahrungen gemacht haben. Hierzu gehören Themen wie sexuelle Belästigung, Machtmissbrauch, Care-Arbeit, die Menschen, die als Frau sozialisiert wurden und/oder gelesen werden, unverhältnismäßig stark betreffen. Das schweißt zusammen und ermutigt, sich kollektiv gegen diese systemischen Missstände zu stellen. Dafür bedarf es aber zunächst ein kollektives Bewusstsein, viel zu oft denken betroffene Personen sonst, sie seien die Einzige.


Und dann, soviel ist auch klar, müssen Cis-Männer mit ins Boot geholt werden- der gemeinsame Einsatz für Gleichstellung ist der einzige Weg. Aber in der Zwischenzeit können Cis-Männer helfen, indem sie Safer Spaces, die sie ausschließen, respektieren und unterstützen - zum Beispiel, indem sie sich miteinander austauschen und anderen Cis-Männern helfen, das Konzept von Safer Spaces zu verstehen. Denn je mehr Cis-Männer dazu beitragen, dass auch Frauen, trans, inter und nichtbinäre Menschen sich mit ihnen sicher und respektiert fühlen können, desto mehr können Räume sich auch für sie öffnen.

*Ist euch aufgefallen, dass wir in unseren Texten an die Wörter „Frau“, „Mann“, „männlich“ und „weiblich“ Sternchen* hängen? Das ist kein Tippfehler, sondern bewusste Entscheidung, die wir erklären möchten. Mit dem * wollen wir darauf hinweisen, dass diese Kategorienn icht biologisch festgeschrieben, sozial konstruiert sind und nicht nur die Menschen umfassen, die als Mann* oder Frau* geboren wurden. Wenn wir also Frau* oder Mann* schreiben, meinen wir alle Menschen, die sich als Frau* oder Mann* verstehen und fühlen. Mehr dazu auf Instagram. **Cis-Männer sind Männer, die von Geburt an als Männer kategorisiert worden sind. Unsere Veranstaltungen sind offen für Trans-Männer, da diese strukturell von Diskriminierung auf Basis ihrer Gender Identität sehr stark betroffen sind.

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