Hey und danke, dass du dir die Zeit für mich nimmst, Debbie. Schaffst du es dich in fünf Sätzen vorzustellen?
…. Ich bezeichne mich gern als Octopus mit mehr als acht Tentakeln - in fünf Sätzen wird es schwierig, ich versuche es! Meine berufliche Aufgabe ist es, Menschen in ihrem Arbeitsalltag zu helfen, auf prozessualer, vor allem aber auf zwischenmenschlicher Ebene. Psychologie war schon immer eines meiner Kerninteressen; dieses Wissen binde ich auf spielerische Art in Design Thinking Projekte, Transformationsprozesse, Train-the-Trainer Formate ein. Mein akademischer Hintergrund in BWL gibt mir die Möglichkeit, rationale Menschen zu erreichen und durch Wirtschaftsprozesse zu navigieren. Ich denke eher in qualitativen als quantitativen Kategorien, wobei Metaphern und Analogien und Humor immer ihren Platz finden. Ich liebe meine Arbeit, sie ist vielfältig, auch wenn sich die vielen Tentakel manchmal verselbstständigen.
Du bist neben IN-VISIBLE auch als Trainerin für die Google Zukunftswerkstatt tätig, und als Beraterin für Innovationsmethodik. Was genau machst du da und wo siehst du Zusammenhänge in all diesen Arbeitsbereichen?
…Bei Google begleite ich unterschiedliche Workshops. Was sie alle verbindet: Arbeitskultur verstehen, verbessern - und das auf unterschiedlicher Flughöhe, von verschiedenen Ausgangspunkten aus gedacht. Die Formate gehen von „Design Thinking“ über „Frauen in Führung“ bis hin zu „Das 1x1 des agilen Managements“ - eben alles, was mit Arbeitskultur zu tun hat. Somit ist mein Arbeitskosmos geprägt von der Frage, wie wollen wir eigentlich zusammen arbeiten - und was brauchen wir, um dahin zukommen. Methoden spielen hierbei eine große Rolle. Seit geraumer Zeit beschäftige ich mich daher intensiv mit Design Thinking und User-Centered Design. Ich versuche, Design als Werkzeug zu nutzen, um positive Veränderungen im Leben der Menschen zu bewirken.
Bei diesen Tätigkeiten kriegst du viele Einblicke in Strukturen unterschiedlicher Organisationen. Und damit auch, wie Personen eigentlich zusammenarbeiten. Was fällt dir da auf?
…Meine Aufträge sind perspektiven- und abwechslungsreich. Viele kritische Themen bleiben lange unter dem Radar, bis es eine Explosion oder einen Trend gibt. Es sind immer wieder ähnliche Herausforderungen, Learnings, Konflikte - egal um welche Organisation es sich handelt. Oft fehlt die Zeit und Reflexionsfähigkeit, um Themen in ihrer Tiefe zu durchdringen; meine Beobachtung ist: wenn sich Menschen selbst besser verstehen wollen und lernen, wie und warum sie kommunizieren, - erst dann ist tatsächliche Veränderung möglich. Zuhören ist ebenfalls eine oft unterschätzte Fähigkeit, die im Unternehmensalltag untergeht. Ich versuche dem entgegenzutreten und lege viel Wert auf Details und Zwischentöne.Was es dann noch braucht, sind die Strukturen und Systeme, Verbündete und gute Rahmen, damit die Arbeitswelt nicht nur aus Einzelkämpfen besteht.
Und wo siehst du in Bezug auf die Arbeitskultur und die Organisation von Zusammenarbeit Hebel, die es einfacher, oder erstmal weniger schwer für Frauen und gendermarginalisierte Gruppen machen?
Die meisten Strukturen sind seit der Menschheitsgeschichte gewachsen. Das führt zu stark verankerten, nicht hinterfragten Voreingenommenheiten, die auf individueller und struktureller Ebene aufkommen. Es ist sinnvoll, auf verschiedenen Ebenen gleichzeitig anzusetzen. Ein Hebel stellen Verbündete (wie zB weißs cis-Männer) dar, die als Sprachrohr für marginalisierte Gruppen dienen, ohne selbst betroffen zu sein. Die Offenheit aller beteiligten, das Verdeckte und Unterbewusste aufdecken, verstehen wo es herkommt, ist ebenfalls ein Riesenschritt!
Du kennst IN-VISIBLE schon länger. Was hast du über die letzten Jahre so mit Blick auf uns beobachtet?
Rea lives what she preaches. Das sehe ich in allen Entscheidungen und Schritten, die IN-VISIBLE macht. Ich bin inspiriert von der Professionalisierung und gleichzeitigen Nahbarkeit. Aus einer One Woman Show ist ein Unternehmen gewachsen ist, das relevante Themen mit erlebbaren, in unsere Arbeitsrealität integrierten Formaten begleitet. Jede Person des IN-VISIBLE Netzwerks steht hinter der Vision. Es eine große Freude, den Erfolg wirkungsorientierter Ansätze in Richtung Gleichstellung zu beobachten und mitzubegleiten.
Und was hast du mit Blick auf dich selbst beobachtet, in Bezug auf deine Einstellung, Erfahrung, Gedanken zum Thema Gendergerechtigkeit?
Ich habe über die Zeit unglaublich viel dazugelernt und viele eigene Voreingenommenheiten und Heuristiken verstanden. Es hilft sehr, Erklärungen für all die subtilen Situationen und Gefühle zu finden, sie zu besprechen und zu verarbeiten. Das trage ich gerne weiter. Die Arbeit mit IN-VISIBLE fühlt sich nach Lieblingshobby an, weniger nach Arbeit.
Was macht dich und deine Perspektive auf Gender bei unseren Workshops, aber auch darüber hinaus, aus?
Ich bin in einer Familie mit diversen identitären Hintergründen aufgewachsen und habe früh gelernt, mich durch die Vielschichtigkeit unserer Menschlichkeit zu navigieren. Es gibt immer Navi-Upgrades, genauso auch in meiner eigenen Herangehensweise. Ich bin mir der Komplexität bewusst und bin überzeugt davon, dass Diversität in allen Lebensbereichen bereichert. Ich möchte gern die Zeit erleben in der nicht gefragt wird „Wie können wir mehr Diversität auf der Arbeit leben?“, sondern „Wie konnten wir Diversität und Gleichstellung jemals nicht gelebt haben?“ Die Themen Diversität und Identität sind für mich Herzensthemen. Danke für das Interview und für deine Arbeit, Deborah. ************************************ Deborah (sie/ihr) ist seit 2021 bei IN-VISIBLE als Workshop-Trainerin aktiv; das Interview hat Rea geführt.