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AutorenbildIulia Moaca

Keine Gendergerechtigkeit ohne weibliche Solidarität

Warum wir real gelebte Solidarität unter Frauen brauchen


Wenn wir über Gendergerechtigkeit sprechen, dann müssen wir auch internalisierte Misogynie als Ausgrenzungsmechanismus unter Frauen thematisieren. Internalisierte Misogynie meint verinnerlichte Abwertungsmechanismen von Frauen gegenüber anderen Frauen und allem, was in unserer Gesellschaft und Kultur als weiblich gilt und dem Weiblichen zugeordnet wird.

Weibliche Gender Identität wird noch immer als abweichend von der gesellschaftlichen Norm betrachtet


Internalisierte Misogynie versteckt sich oft hinter dem Deckmantel von vermeintlich individuellen Verhaltensweisen wie Ablehnung, Geringschätzung und Verachtung einzelner Frauen gegenüber anderen Frauen aufgrund persönlicher Begebenheiten, ist aber ein sich strukturell ergebendes Problem patriarchaler Gesellschaftsstrukturen, in der das Weibliche von der vermeintlich männlichen Norm abweicht und dadurch ein Othering gegenüber Frauen und dem Weiblichen zur Folge hat.


What about Gender Equality? Fakt ist: Gendergerechtigkeit ist heute noch in vielen Bereichen nur unzureichend vorhanden


In anderen Worten: Frauen werden in vielen Bereichen unserer Gesellschaft auch heute noch jenseits der männlichen „Norm“ gedacht und behandelt; das zeigt sich beispielsweise in der Medizin, wenn sich die Entwicklung von Medikamenten oft nur an männlichen Körpern orientiert und das zur Folge hat, dass Frauen oft zu hoch dosierte Medikamente verschrieben werden, die nicht auf die Funktionsweise ihrer Körper abgestimmt sind. Ein weiteres Beispiel ist, wenn in Simulationen von Autounfällen mithilfe von Crashtest-Dummies die Dummies an den Körpermaßen und –größen von männlichen Körpern orientiert gebaut sind und dadurch für weibliche Körper bei Autounfällen ein höheres Verletzungsrisiko besteht. Diese Beispiele verdeutlichen, dass Frauen und ihre Bedürfnisse eben nicht in allen Bereichen automatisch mitgedacht werden – und dass ihre Inklusion und Gleichberechtigung in vielen gesellschaftlichen Bereichen noch nicht selbstverständlich ist.


„Stutenbissigkeit“ als unterkomplexer Erklärungsbegriff für das vermeintlich natürliche Verhalten von Frauen untereinander


Aber was haben Medikamente und Crashtest-Dummies mit internalisierter Misogynie zu tun? Die vorangegangenen Beispiele verdeutlichen, dass Frauen in bestimmten Bereichen schlicht nicht mitgedacht und inkludiert werden. Es findet ein Ausschlussmechanismus statt, der sich bei der internalisierten Misogynie wiederholt als ausschließender Mechanismus unter Frauen. Dieser Mechanismus ist so tief in unserer Gesellschaft verankert, dass wir alle damit aufwachsen – unabhängig von unserer eigenen Gender Identität. Und möglicherweise auch erst später im Leben wahrnehmen, dass wir einen Unterschied machen.


Frauen in patriarchalen Strukturen konkurrieren um (vermeintlich) knappe Ressourcen


Daran anknüpfend ist das Konkurrenzverhalten unter Frauen um vermeintlich knappe Ressourcen innerhalb dieser Gesellschaft. Wie oft Frauen den Satz hören müssen, dass es eben nur eine Gewinnerin geben kann. Dabei ist doch Raum für alle da. Es wird aber immer wieder so kommuniziert und in vielen Fällen dahingehend konstruiert, dass es nur „die Eine“ geben kann. Dieser Glaubenssatz reproduziert sich selbst immer wieder, weil dieser Kreislauf oft nicht durchbrochen wird. Das ist Teil des Problems. Wenn Frauen von bestimmten gesellschaftlichen Bereichen ausgeschlossen werden, identifizieren sie sich als gesellschaftliche „Randgruppe“, in der um die „knappen“ Ressourcen, die da sind, konkurriert werden muss. Dazu zählen beispielsweise Positionen in den Führungsetagen großer Unternehmen. Wenn du mehr über das Patriarchat und dessen Auswirkungen erfahren möchtest, dann schau gerne bei unserem Post „Was ist das Patriarchat? Und was sind dessen Auswirkungen?“ vorbei.


Auch feindliches Verhalten von Frauen gegenüber Frauen ist Sexismus am Arbeitsplatz


Besonders im beruflichen Kontext wird auch immer wieder von „Stutenbissigkeit“ oder „Zickenkrieg“ gesprochen, wenn sich Kolleginnen gegenseitig sabotieren, Gerüchte über andere Kolleginnen verbreiten, um sie zu schwächen, ihren Ruf zu schädigen und damit die Chancen auf eine Beförderung der vermeintlichen Konkurrentin zu gefährden. Dabei geht dieses Verhalten über den reinen Wettbewerb hinaus, der getreu dem Motto „Möge der:die Bessere gewinnen“ eher bei Männern zu beobachten ist. In dem hier beschriebenen Narrativ, welchem sich auch in Filmen und anderen Bereichen bedient wird, ist der Wettbewerb unter Frauen oft auf der persönlichen Ebene zu finden.

Strukturen und erlernte Verhaltensweisen können auch verändert werden


In ihrem Buch „Spiritual Feminist“ beschreibt Autorin Kaja Andrea Otto, dass „Stutenbissigkeit“ keineswegs ein natürliches Verhalten von Frauen untereinander ist, sondern ein Symptom patriarchaler Gesellschaften, in denen offen ausgetragene Konflikte unter Frauen sowie weibliche Wut tabuisiert sind. Aus ihnen werden somit Einzelkämpfer:innen, die, jede für sich, sich an gegebene Strukturen anpassen und mit dem aktuellen System „verhandeln“ müssen. Aber als Einzelkämpfer:innen stehen sie in schwierigen Situationen eben auch allein da, ohne eine Gruppe, die ihnen im Bedarfsfall den Rücken stärkt. Auch andere Autor:innen wie Angela McRobbie und viele weitere haben sich mit diesem Phänomen beschäftigt.


Geschlechtergerechtigkeit kann nicht funktionieren ohne Solidarität unter Frauen


Geschlechtergerechtigkeit kann es nur dann geben, wenn Frauen sich gegenseitig stärken, indem sie einander respektieren, unterstützen und fördern. Denn ohne Solidarität unter Frauen kann es keine geschlechtergerechte Gesellschaft geben. Wenn Frauen strukturell benachteiligt werden bei der Vergabe von Positionen mit viel Entscheidungsmacht, in Gehaltsverhandlungen oder bei der Etablierung neuer Arbeitsmodelle, dann werden Einzelkämper:innen nicht sehr weit kommen im Kampf gegen bestehende patriarchale Strukturen und Mechanismen. Welch langen Weg wir als Gesellschaft noch vor uns haben, wird ganz besonders am Weltfrauentag, oder auch Feministischem Kampftag deutlich, mehr dazu hier. Für eine Veränderung auf struktureller Ebene ist, abgesehen von Gesetzten und Regelungen, die diese strukturelle Benachteiligung auszugleichen versuchen, ein Verhalten unter Frauen wichtig, welches nicht auf Konkurrenz basiert, sondern auf Vertrauen und Wohlwollen. Das ist in den bestehenden Strukturen allerdings leichter gesagt als getan.

Weibliche Solidarität als Grundlage einer geschlechtergerechteren Gesellschaft


Wichtig zu betonen ist hier auch, dass Solidarität unter Frauen nicht meint, dass alle Frauen auf einmal beste Freund:innen werden müssen. Jedoch ist ein wertschätzender und respektvoller Umgang miteinander auf Augenhöhe der erste Schritt hin zu einer real gelebten Solidarität. Wenn Frauen solidarischere Strukturen untereinander etablieren, dann wird der Kampf um vermeintlich knappe Ressourcen obsolet – und patriarchale Gesellschaftsstrukturen und –dynamiken könnten bröckeln zugunsten einer geschlechtergerechteren Gesellschaft.


Um diese Solidarität zu etablieren, lohnt es sich Räume zu schaffen, die jenseits der bestehenden Strukturen bestehen. Dies ermöglicht ein neues, neutraleres Aufeinandertreffen und das Erkunden von Solidarität unter Frauen. Der gezielte und kuratierte Austausch von Frauen und non-binären Personen in safe(r) spaces, kann hier eine mögliche Strategie für Organisationen sein, hier einen Anfang zu finden.


Du willst mehr zum Thema Feminismus in der Arbeitswelt erfahren? Dann schaue gern beim IN-VISIBLE Podcast „Unter Kolleg:innen – Der Podcast über Feminismus und Arbeit“ vorbei.

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