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AutorenbildRea Eldem

Gender Spotlight: Tattoo-Industrie

Gender Spotlight #3: Wie äußert sich Gender in der Tattoo-Industrie?

Gender Spotlights: diesmal zum Thema Tattoo Industrie. Kennt ihr schon Zid – Artist name Zid Visions? Zid ist nicht-binär und agender und benutzt die Pronomen dey/dem. Zid ist 35 Jahre alt und macht Hand Poked Tattoos, also handgestochene Tattoos ohne Maschine. Handgestochene Tattoos sind die älteste Art Tattoos zu gestalten – es werden keine Maschinen genutzt.

Wir haben dem ein paar Fragen zu Zids Werdegang und der Rolle von Gender in der Tattoo-Industrie gestellt:

Hallo Zid, wie bist du zum Tätowieren gekommen?


“Früher habe ich Streetart gemacht. Eine befreundete Person aus der Kunstszene, die selber Handpoke gemacht hat, hat mich dann mal gefragt, ob ich das ausprobieren möchte. Daraufhin habe ich die Person dann tätowiert und für mich festgestellt: Das ist es.”


Wann hast du angefangen, dich künstlerisch auszuprobieren?


“Ich habe schon als Kind immer gemalt und bin dann später auf die Kunstschule gegangen und hab dort eine Grafikdesignausbildung gemacht. Danach habe ich allerdings festgestellt, dass ich nicht Kunst mit Computern machen will. Ich bin dann als Nächstes nach Berlin und habe dort Social Media Marketing gemacht. Das hilft mir dann jetzt auch bei meinen Social Media Kanälen. Zwischendurch habe ich immer wieder als Kurator:in gearbeitet und Streetart gemacht. Nach 6 Jahren Marketing habe ich dann ein halbes Jahr tätowiert und habe dann entschieden, es richtig zu machen - nur zu Freelancen.”


Kannst du aus deiner Sicht die Tattoo-Szene beschreiben? Welche Rolle Spielt Gender in der Tattoo-Szene?


“Ich persönlich hatte das ungemeine Glück, dass ich Streetart-Freund:innen habe, die tätowieren. Das heißt, ich habe noch nie ein Tattoo von einer fremden Person bekommen. Es gab somit immer die Basis, ich bin entweder Artist und das Gegenüber ist Kumpel:ine oder ich bin Tattoo-Künstler:in und das Gegenüber ist ein:e weitere:r Tattoo-Künstler:in, bei der:dem ich einen Grundbaustein habe. Ich habe allerdings viele Eindrücke durch Kund:innen erhalten: Sie waren zum Teil in Old-School Tattoo-Studios, in denen ein Dude arbeitet, der von morgens bis abends wie am Fließband Kund:innen dahat und egal was sie wollen tätowiert. Ein Ort bei dem man sich als Kund:in oft als Fremdkörper wahrnimmt, der abgefertigt wird.


Persönlich habe ich die Erfahrung gehabt, dass wenn mich cis Männer tätowiert haben und ich Schmerzen geäußert habe, wurden diese oft belächelt oder mit einem “geht schon” begegnet. Das heißt, es wurde nicht auf die Person und dessen Gefühle und dessen Unversehrtheit geachtet. Man bekommt so als Kund:in fast das Gefühl, als wäre man gar nicht da, weil man für sie nur eine Leinwand ist und fast schon ignoriert wird. Es ist meiner Meinung nach voll ok, dass Personen beim Tätowieren voll in deren “zone” sind, aber man muss vorab verbalisieren, dass man dabei nicht viel redet, sonst fühlen sich Kund:innen wie Luft. Ich hatte persönlich Glück, da war das Verständnis und die Kommunikation immer da.”


Viele Tattoo-Studios vor allem auch außerhalb von Berlin sehr männlich besetzt. Das könnte dazu führen, dass sich dann vor allem FLINTA Personen unwohl fühlen. Was ist deine Erfahrung dazu?


“Ja das stimmt schon. Es gibt zum einen die Studios, die generell alle Kund:innen schlecht behandeln. Dazu habe ich auch von cis Männern gehört , dass sie schlecht behandelt wurden. Und in solchen Orten werden zusätzlich auch FLINTA schlecht behandelt. Dann gibt es aber auch die, die nur weiblich gelesene Personen sexistisch behandeln. Berlin ist irgendwie schon eine Bubble, in der du gut nach FLINTA-Räumen suchen kannst. Gleichzeitig gibt es hier aber auch noch viele cis männlichen Räume, die vielleicht sicher rüberkommen und vielleicht auch für alle einen Safe Space bieten wollen, aber nicht halb so viel Arbeit wie Flinta Tattoo-Studios reinstecken, damit ein Safe Space entsteht und bleibt.”


Was sollten Tattoo-Künstler:innen tun, damit ein solches sicheres Umfeld für Kund:innen entstehen kann?


“Tätowieren ist meiner Meinung nach eine totale Vertrauenssache. Es ist körperlich, es kann triggern und es ist fast wie, wenn man zum Arzt geht, man muss Vertrauen haben. Das ist vielen nicht bewusst. Es fängt allein schon mit der Kommunikation an. Eine Person sollte willkommen geheißen werden, du solltest ihnen ein warmes Gefühl geben und gut kommunizieren, wenn Fragen kommen. Man muss auch nicht die ganze Zeit mit der Person reden, aber man sollte immer wieder fragen, ob alles ok ist, damit die Person sich gesehen fühlt.


Leider kommt oft Bodyshaming beim Tätowieren vor und die Menschen werden währenddessen beleidigt oder die Fotos von Tattoos von dicken Menschen nicht auf Social Media gepostet. Nacktheit ist auch ein ganz großes Thema. Frauen haben mir erzählt, wie sie ein Tattoo auf dem Brustbereich oder auf dem Bauch bekommen haben und der Tätowierer gesagt hat, zieh dich oben rum aus, jedoch waren noch weitere männlichen Tattoo-Künstler:innen im gleichen Raum und auch Kund:innen, die sie sehen konnten. Ich hingegen spreche Kund:innen darauf an “Du müsstest dich an der Stelle freimachen, ist das ok für dich?” oder auch, ob sie abgeklebt werden wollen und wenn ja, ob sie das machen und lieber dafür ins Bad gehen wollen.


Das Thema Fotos ist auch sehr wichtig. Heute ärger ich mich, dass ich früher nicht gefragt habe, ob es für die Person ok ist, dass ich ein Foto vom Tattoo mache. Man gibt der Person dadurch keine Wahl. Jetzt Frage ich jedes Mal und es wird sehr positiv aufgenommen.


Vor allem bei Männern ist es wichtig, dass sie alles weglassen, das sexuell ist. Zum Beispiel sollte nichts über private Sachen wie das Dating-Leben oder was man sexy findet, erzählt werden. Es hängt natürlich auch von der Situation ab, wenn beide beteiligten sich über ihr Privatleben austauschen und beide das wollen, geht das dann auch mal. Viele Männer sind sich allerdings oft nicht bewusst, in welche Position sie Frauen manchmal bringen. Es geht einfach nicht, dass ein Tätowierer anzüglich über Frauen spricht und die Kundin liegt dann vor ihm, vielleicht auch oben ohne und wird außerdem von ihm berührt. Da können dann Machtspielchen bewusst oder unterbewusst entstehen. Manchmal wird auch ertastet, ob etwas sexuell aufgenommen wird. Es gibt einfach viele Fettnäpfchen und man sieht sehr offen, dass Männer nicht die Arbeit leisten, um einen Safe Space zu schaffen. Zum Teil wird auch eine Art unsichtbarer Sexismus vermittelt, der nicht unbedingt gewollt ist, aber verinnerlicht ist.”


Wie ist die Entwicklung von Tattoo-Studios, die den ganzen Arten von Diskriminierung versuchen, keinen Platz zu lassen und dem entgegenzuarbeiten?


“In Berlin läuft es supergut. Du siehst in bestimmten Hauptstädten, wo eine bestimmte Kunstszene ist oder Menschen hinziehen, weil sie dort sie selbst sein können und weniger diskriminiert werden, da bilden sich solche Räume mehr aus. Ich bin generell sehr kritisch, wenn es um Safe Spaces geht und beäuge diese dann auch sehr stark, sehe aber generell eine positive Entwicklung. Ich rate auf jeden Fall cis Frauen, dass wenn nur eine minimale Chance besteht, dass man bei einem cis Mann getriggert werden könnte, sollte sie sich lieber nicht von ihm tätowieren lassen und lieber zu einer cis Frau oder jemanden aus der LGBTQI* Community gehen. Ich habe einfach die Erfahrung gemacht, dass cis Frauen im Gegensatz zu cis Männern mehr Mitgefühl und Empathie in ihrer Arbeit einfließen lassen.”


Inwiefern haben Kund:innen dir eine negative Haltung entgegengebracht – eben weil du kein cis Mann bist?

“Überhaupt nicht. Ich bin sehr wandelbar und kann sehr gut die Stimmung meiner Umgebung erkennen. Das heißt, wenn eine Person eher ruhig ist, dann bin ich auch ruhig und umgekehrt. Und in Bezug auf mich, dass ich nicht-binär oder agender bin, da habe ich von cis Frauen und Männern Fragen zu meiner Genderidentität bekommen, die jedoch immer respektvoll waren. Ich sage vielen aber auch, dass sie in der Zukunft andere Leute erst einmal fragen müssen, ob sie bereit sind, solche Fragen zu beantworten, aber auch da war die Resonanz bis jetzt immer gut. Öffentlich zeige ich auch immer, wer ich bin, wofür ich stehe und auch meine politische Position. Wenn das jemandem nicht gefällt, dann kommt die:der eh meist nicht zu mir.”


Danke für das tolle Gespräch Zid!

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Das Interview hat Rea gehalten und wurde von Alicia vorbereitet und geschrieben.

Die Arbeit von Zid Visions könnt ihr über Facebook und Instagram bestaunen: https://www.facebook.com/Zid.Visions/


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