Unsere Gesellschaft ist vielfältig und das macht - zum Glück! - vor der Arbeitswelt nicht halt. Gleichzeitig tun sich Unternehmen aus vielerlei Gründen noch schwer, diese gesellschaftliche Diversität für sich zu nutzen und Menschen unterschiedlichster Hintergründe zu rekrutieren. Wir haben zum Beispiel schon darüber geschrieben, warum Diversity Manager*innen oft gar nicht erst das bekommen, was sie brauchen, um diese Arbeit machen zu können. Aber was, wenn du dein Unternehmen gerne diverser machen möchtest, aber gar nicht so genau weißt, was Diversität eigentlich alles umfasst und wie du messen kannst, wie divers deine Mitarbeitenden sind? Diese Fragen werden uns von Kund*innen und Workshopteilnehmenden immer wieder gestellt, deshalb haben wir dir hier ein paar Tips zusammengestellt.
Diversität - was ist das eigentlich?
Wer sich mit Gleichstellung im Arbeitskontext befasst, stolpert schnell über zwei Themen: die Gleichberechtigung von Frauen und die Inklusion von Menschen mit (Schwer-)Behinderungen. Viele Unternehmen haben Quoten oder stellen sie bei gleicher Qualifikation bevorzugt ein, um bestehende Benachteiligungen zu verringern, haben eine Frauen- oder Gleichstellungsbeauftragte oder in größeren Organisationen auch eine Schwerbehindertenvertretung. Warum gerade diese beiden Gruppen? Unter anderem deshalb, weil ihre Gleichstellung im Arbeitsleben besonders durch Gesetze geregelt ist, z.B. durch das Zweite Führungspositionen-Gesetz, das Entgelttransparenzgesetz und Regelungen des SGB IX. Hier werden also konkrete Vorgaben für Unternehmen gemacht, die berücksichtigt werden müssen.
Diversität geht aber weit über Floskeln und Paragraphen hinaus. Es geht um die Frage: Welche Merkmale prägen einen Menschen und die Art, wie er von anderen wahrgenommen wird, entscheidend? Welche Perspektiven, welche Expertise, welche Verbindungen bringt jemand aufgrund dieser Erfahrungen mit? Ein diverses Unternehmen ist also eines, das Menschen vieler verschiedener Hintergründe zusammenbringt - nicht nur in Bezug auf Frauen und Menschen mit Behinderungen, sondern auch auf Herkunft, Race, Alter, sexuelle und geschlechtliche Identität, Religion, Weltanschauung, sozialen Hintergrund, Neurodivergenz, familiäre Verhältnisse, Gewicht, Schönheitsnormen und vieles mehr.
Wie kann (und darf) ich Diversität im Unternehmen messbar machen?
Wer sich diese Liste von Merkmalen anschaut, stellt wahrscheinlich schnell fest, warum es schwierig sein kann, Diversität zu messen: auch wenn ihre Identität sie prägt, sieht man sie Menschen von außen nicht unbedingt an. Wer Diversität im Unternehmen messbar machen möchte, ist also auf die Selbstauskunft der Angestellten angewiesen. Kein Problem, schnell das Surveyprogramm anwerfen und eine kleine Umfrage starten! So einfach ist das leider nicht, denn Arbeitgebende dürfen von ihren Angestellten oder auch Bewerber*innen über ihre persönlichen Verhältnisse in der Regel keine Auskunft verlangen. Das ist an sich auch gut so, denn es schützt gegen Diskriminierung - aber es macht es auch schwieriger, die Zusammensetzung eines Unternehmens zu messen und Schwachstellen in Bezug auf Diversität und Diskriminierung festzustellen.
Das heißt allerdings nicht, dass eine solche Erhebung in jedem Fall unmöglich ist. Wichtig ist vielmehr, dass die Angaben zum einen freiwillig erfolgen, zum anderen anonym durchgeführt werden und keine Rückschlüsse auf einzelne Personen zulassen. Eine Umfrage unter den Mitarbeitenden ist also zwar die erste Wahl, um Daten zu Diversität im Unternehmen zu erheben, will aber gut durchdacht sein.
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Tips für deine Diversitäts-Erhebung
Wie kannst du als Personaler*in, HR oder People & Culture-Verantwortliche*r also eine Erhebung durchführen, die dir wertvolle Erkenntnisse liefert, aber arbeitsrechtlich unbedenklich ist?
Zunächst einmal: Stelle sicher, dass die Umfrage vollständig anonym ist (also z.B. nicht die Eingabe eines Namens oder einer E-Mail-Adresse erfordert) und alle Fragen freiwillig beantwortet werden, z.B. durch eine generell freiwillige Teilnahme oder über Antwortoptionen wie “Möchte ich nicht sagen” oder “Keine Angabe”. Sprich am besten mit deiner Rechtsberatung ab, wie die freiwillige Einwilligung der Mitarbeitenden formal gestaltet sein muss, denn solange du diese hast, darfst du auch Daten erheben, die über die für das Arbeitsverhältnis nötigen Stammdaten hinausgehen.
Sei transparent, warum du diese Daten erheben möchtest, wer Zugriff auf sie erhält und wie du Anonymität gewährleistest. Das gibt den Teilnehmenden die Sicherheit die sie brauchen, um ehrlich zu antworten - denn wenn 70% der Antworten aus “Möchte ich nicht sagen” bestehen, hast du davon nichts.
Mache dir vor der Umfrage ein erstes Bild der Mitarbeitenden. Gibt es einzelne Mitarbeitende, die aufgrund eines bestimmten Merkmals herausstechen? Wenn es z.B. nur eine Frau oder nur eine Schwarze Person im Team gibt, dann lässt sich anhand dieser Angabe leicht nachvollziehen, welcher Datensatz zu ihr gehört, und die Umfrage wäre nicht mehr anonym. Denke dabei nicht nur an äußerlich sichtbares, sondern z.B. auch an Positionen und Titel. Wenn du beispielsweise “Teamleitung” als Auswahlmöglichkeit angibst, ihr aber nur vier Teamleitende habt, dann lässt das womöglich Rückschlüsse auf einzelne Personen zu. Falls du solche Fälle bemerkst, überlege dir, wie du in der Erhebung damit umgehen willst. Kannst du dein Erkenntnisziel erreichen, wenn du diese Merkmale nicht einbeziehst oder größere Kategorien verwendest? Um beim ersten Beispiel zu bleiben: Wenn es nur eine Frau im Unternehmen gibt, wird Geschlecht als Kategorie in der Umfrage möglicherweise wenig relevant sein und kann weggelassen werden. Wenn es zwar nur eine Schwarze Person gibt, aber mehrere andere Mitarbeitende, die auch nicht weiß sind, kann eine gröbere Kategorisierung - z.B. die Auswahlmöglichkeiten “BIPoC”, “weiß”, “andere” - Anonymität gewährleisten, ohne das Merkmal Race komplett außen vor zu lassen.
Sei präzise in deinen Formulierungen bzw. ergänze deine Fragen durch eine kurze Erklärung, was gemeint ist. Wenn du beispielsweise wissen möchtest, wie viele deiner Mitarbeitenden rassistische Diskriminierung erfahren haben, ist es sinnvoller, direkt danach zu fragen, als z.B. nach dem Migrationshintergrund (den ja auch weiße Menschen haben können). Wenn du dir nicht sicher bist, ob alle Mitarbeitenden bestimmte Begriffe verstehen, versuche entweder, einen geläufigen Begriff zu finden, oder erkläre ihn. (Unser Glossar kann dir dabei helfen.)
Viele Identitäten lassen sich nicht leicht in vorgegebene Kategorien einordnen. Es ist deshalb sinnvoll, immer auch eine Option wie “Andere” oder ein Freitextfeld anzubieten, in dem Teilnehmende ihre Selbstbezeichnung eintragen können. Letzteres hat den Vorteil, dass es dir mehr Informationen gibt, als nur, dass die Identität der Person nicht in deine vorgegebenen Optionen passt.
Denke an Zusammenhänge. Selbst wenn du nur demographische Daten erheben willst, kann es sinnvoll sein, in der Auswertung einen Blick auf Überschneidungen zu haben, die dir spannende Erkenntnisse liefern können. Gibt es z.B. viele Frauen, aber sie sind zu 90% Praktikantinnen? Sind alle Mitarbeitenden mit Behinderungen in einem bestimmten Team? Sind eure jüngeren Mitarbeitenden sehr international, aber alle älteren Mitarbeitenden deutsch? Besonders wichtig ist das auch, wenn du nach Diskriminierungserfahrungen fragst - denn wenn du nur erfährst, dass Menschen diskriminiert wurden, aber nicht, warum, kannst du keine zielgerichteten Maßnahmen ableiten.
Und zuletzt: Auch wenn es gerade beim komplexen Thema Diversität verlockend ist, überfrachte deine Umfrage nicht. Überlege, welche Merkmale oder Erlebnisse für dein Erkenntnisinteresse besonders relevant sind, und beschränke dich auf diese. Beende die Survey aber mit einem Freitextfeld, in dem Teilnehmende alles teilen können, was für sie relevant ist, aber nicht durch die vorhandenen Fragen abgedeckt wurde. So kannst du in der Auswertung feststellen, ob du bestimmte Identitäten oder Erfahrungen unterschätzt oder gar nicht bedacht hast.
Ich habe Zahlen zu Diversität - und jetzt?
Diversität im Unternehmen messbar machen ist der erste Schritt, aus dem du Folgemaßnahmen ableiten kannst. Was brauchen die Mitarbeitenden, die schon da sind? Wer fehlt? Wie kannst du neue Perspektiven ins Unternehmen holen und bestehende Ungleichbehandlungen abbauen? Wenn du dabei Unterstützung brauchst, bieten wir von IN-VISIBLE dir verschiedene Beratungsangebote - und übernehmen gerne auch die ganze Konzeption deiner Survey für dich. Schreib uns einfach an!