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AutorenbildRea Eldem

Das neue Selbstbestimmungsgesetz: Deine Verantwortung als Führungskraft für ein inklusives Arbeitsumfeld

Das Selbstbestimmungsgesetz (SBGG), das am 1. November 2024 in Kraft trat, bringt wichtige Fortschritte für trans, inter und nicht-binäre Menschen in Deutschland. Es ermöglicht eine einfache, selbstbestimmte Änderung des Vornamens und Geschlechtseintrags – ohne die langwierigen und oft entwürdigenden Hürden des alten Transsexuellengesetzes. 


Für dich als Führungskraft ist dieses Gesetz jedoch mehr als nur eine rechtliche Vorgabe. Es ist eine Chance, ein respektvolles und inklusives Arbeitsumfeld zu schaffen, das Vielfalt fördert und das Wohlbefinden und die Zufriedenheit deiner Mitarbeitenden unterstützt. In diesem Artikel erfährst du, welche Pflichten du im Rahmen des Gesetzes hast und wie du dein Team auf dem Weg zu einer diskriminierungsfreien, inklusiven Zusammenarbeit unterstützen kannst.


Das neue Selbstbestimmungsgesetz: Was bedeutet das konkret für deine Verantwortung als Führungskraft


Bisher war im sogenannten Transsexuellengesetz (TSG) geregelt, wie und unter welchen Umständen transgeschlechtliche Menschen ihren Vornamen sowie ihren Geschlechtseintrag - also das Geschlecht, das in offiziellen Unterlagen vermerkt ist - ändern konnten. Dazu waren u.a. mehrere psychologische Gutachten sowie ein Gerichtsverfahren notwendig; eine lange, kostspielige, tief in die Intimsphäre eingreifende Prozedur, die von Expert*innen und Betroffenen lange kritisiert wurde. Das SBGG ersetzt nun das TSG und macht die Anpassung von Namen und Geschlechtseintrag deutlich einfacher: Gutachten und Prozess entfallen, die Änderung erfolgt durch eine simple Erklärung beim Standesamt. Zudem schützt ein Offenbarungsverbot vor ungewolltem Outing; so dürfen bspw. Arbeitgebende den abgelegten Namen oder Geschlechtseintrag einer Person nicht ohne deren ausdrückliche Zustimmung verwenden oder weitergeben. Und noch eine weitere wichtige Neuerung wird durch das SBGG eingeführt: Auch nichtbinäre und transgeschlechtliche Menschen dürfen zukünftig den Geschlechtseintrag offen lassen oder zu “divers” ändern, was bisher intergeschlechtlichen Menschen vorbehalten war. 


Welche Verantwortung trägst du als Führungskraft?


Mit dem SBGG können Unternehmen ihre internen Strukturen anpassen, um Veränderungen beim Geschlechtseintrag und Vornamen problemlos zu ermöglichen. Als Führungskraft kannst du Prozesse schaffen, die Anpassungen flexibel und ohne Hindernisse ermöglichen. Zusätzlich trägt ein inklusives Arbeitsumfeld zur Akzeptanz im gesamten Unternehmen bei.


Praktische Maßnahmen zur Unterstützung trans, inter und nicht-binärer Mitarbeitender


Als Führungskraft hast du eine doppelte Verantwortung im Zusammenhang mit dem neuen Selbstbestimmungsgesetz: Du musst das Offenbarungsverbot und die Vermeidung von Misgendern und Deadnaming sicherstellen, und du hast die Möglichkeit, dein Team zu sensibilisieren und ein unterstützendes Umfeld zu schaffen. Ein respektvolles, inklusives Arbeitsklima erhöht die Zufriedenheit und Produktivität im Team und stärkt das Image des Unternehmens. 


  1. Deine Pflichten im Rahmen des Offenbarungsverbots


Das SBGG untersagt es dir und anderen Führungskräften, vertrauliche Informationen zum früheren Namen oder Geschlechtseintrag weiterzugeben. Das Offenbarungsverbot soll verhindern, dass Menschen durch die Preisgabe alter Daten diskriminiert oder in eine unangenehme Situation gebracht werden.


  • Achte auf Diskretion: Selbst wenn eine Person offen über ihre Transition spricht, dürfen Details zum früheren Namen oder Geschlechtseintrag nicht ohne ihre Zustimmung geteilt werden. Unterlagen wie Arbeitszeugnisse oder Verträge müssen sogar auf den neuen Namen und Geschlechtseintrag geändert werden, wenn die Person das möchte.

  • Sensibilisiere dein Team: Informiere alle Teammitglieder über das Offenbarungsverbot und darüber, wie sie sich respektvoll verhalten können.


  1. Deadnaming und Misgendern vermeiden


Deadnaming – das Verwenden eines alten Namens – und Misgendern – das Verwenden eines falschen Pronomens – können sehr verletzend sein. Die Änderung des Namens und Geschlechtseintrags ist für viele ein Schritt zu mehr Authentizität und Selbstbestimmung. Es liegt in deiner Verantwortung, aktiv darauf zu achten, dass der aktuelle Name und die gewünschten Pronomen respektiert werden.


  • Verwende den richtigen Namen und die richtigen Pronomen: Achte darauf, immer den aktuell gültigen Namen und die korrekten Pronomen zu nutzen. Wenn du unsicher bist, frage die betroffene Person diskret und respektvoll. Du kannst z.B. fragen “Was sind deine Pronomen?” oder “Mit welchem Namen soll ich dich vorstellen?”

  • Korrigiere Fehler im Team: Falls jemand im Team den falschen Namen oder das falsche Pronomen verwendet, greif höflich ein und korrigiere den Fehler. Das muss kein großes Ding sein, oft reicht es, einfach den richtigen Namen oder das richtige Pronomen einzuwerfen: “Silvia hat gesagt…” - “Mark” - “Ach ja, Mark hat gesagt…” Damit zeigst du als Führungskraft, dass Respekt und Inklusion oberste Priorität haben.



3. Technische und organisatorische Anpassungen


Viele Unternehmenssysteme sind noch nicht auf vielfältige Geschlechteridentitäten eingestellt. In Zusammenarbeit mit der IT und anderen Abteilungen kannst du dafür sorgen, dass alle Systeme auf dem neuesten Stand sind und die Vielfalt der Mitarbeitenden widerspiegeln.


  • Sorge für gendergerechte Systeme: Prüfe, ob Systeme, wie z. B. E-Mail-Programme und CRM-Datenbanken, genderneutral und anpassungsfähig gestaltet sind. Eine flexible Anpassung des Vornamens und Geschlechtseintrags in sämtlichen Systemen sollte gewährleistet sein. Formulare, in denen Geschlecht oder Anrede abgefragt werden, sollten alle amtlichen Geschlechtseinträge (m/w/d/kein Eintrag) bzw. die Möglichkeit einer neutralen Anrede beinhalten.

  • Fördere genderneutrale Anredeformen: Formulierungen wie „Liebe Mitarbeitende“ oder „Guten Tag, Team“ sind einfache, aber wirkungsvolle Mittel, um alle Geschlechter anzusprechen.

  • Sorge für geschlechtergerechte Räume: Überprüfe, ob die Einrichtung geschlechtsneutraler Toiletten, Umkleiden, etc. möglich ist. Wenn nicht, formuliere eine Leitlinie, die trans, inter und nichtbinären Menschen die diskriminierungsfreie Nutzung der für sie passenden Räume ermöglicht.

  • Überdenke (binäre) Dresscodes: Wenn es Dresscodes gibt, passe sie so an, dass trans, inter und nichtbinäre Menschen die für sie passende Kleidung tragen können. Idealerweise gestaltest du den Dresscode unabhängig von Geschlecht.


4. Schulungen und Sensibilisierung


Ein inklusives Arbeitsumfeld entsteht durch Wissen, Aufklärung und gegenseitigen Respekt. Regelmäßige Schulungen können Unsicherheiten abbauen und helfen dem Team, die Bedürfnisse von trans, inter und nicht-binären Menschen besser zu verstehen.


  • Biete Sensibilisierungstrainings an: Diversity- und Gender-Schulungen helfen dem Team, einfühlsamer zu kommunizieren und Missverständnisse zu vermeiden. Ermutige dein Team, Fragen zu stellen und weiter dazuzulernen.

  • Sprich offen über das Gesetz: Ein Gespräch über das Selbstbestimmungsgesetz und die Unterstützung trans, inter und nicht-binärer Menschen kann das Verständnis im Team stärken und Ängste abbauen.

  • Frage Betroffene: Wenn du trans, inter oder nichtbinäre Angestellte hast, frage sie, wie sie mit dem Thema umgehen möchten und was sie von dir brauchen, um sich am Arbeitsplatz sicher zu fühlen. 


5. Sei ein Vorbild und setze klare Standards


Deine Haltung und dein Verhalten als Führungskraft haben großen Einfluss auf die Unternehmenskultur. Wenn du aufmerksam und respektvoll agierst, setzt du den Standard, dem das gesamte Team folgt.


  • Setze ein klares Zeichen: Zeige durch dein Verhalten, dass Vielfalt und Respekt im Unternehmen großgeschrieben werden. Gehe auf Fragen und Unsicherheiten ein, um eine offene und unterstützende Atmosphäre zu fördern.

  • Sei konsequent: Wenn Mitarbeitende gegen das Offenbarungsverbot oder andere Richtlinien verstoßen, sollten Konsequenzen folgen. So signalisierst du, dass diskriminierendes Verhalten keinen Platz hat.


Das neue Selbstbestimmungsgesetz: Deine Verantwortung als Führungskraft
Das neue Selbstbestimmungsgesetz: Deine Verantwortung als Führungskraft


Kritische Aspekte des Gesetzes: Wie du mit Einschränkungen umgehen kannst


Das Selbstbestimmungsgesetz bringt wichtige Verbesserungen, bleibt jedoch nicht ohne Kritik. So sieht das Gesetz beispielsweise eine dreimonatige Bedenkzeit vor, bevor Änderungen des Geschlechtseintrags wirksam werden. Diese Regelung wird von vielen Betroffenen als unnötig empfunden, da sie impliziert, dass trans Personen möglicherweise unsicher in ihrer Identität sind. Auch die Regelung für Minderjährige, die eine Zustimmung der Eltern oder des Familiengerichts benötigen, schränkt die Selbstbestimmung ein. 


Als Führungskraft kannst du Verständnis für diese Einschränkungen zeigen und in deinem Team vermitteln, dass dein Unternehmen die individuellen Herausforderungen von Menschen in der Transition respektiert. Beispielsweise ist es ratsam, den richtigen Namen, die richtigen Pronomen und andere geschlechtsspezifische Begriffe nicht erst dann zu nutzen, wenn sie offiziell geändert wurden, sondern sobald die betroffene Person es wünscht. Das ist übrigens sogar in offiziellen Dokumenten wie Arbeitsverträgen erlaubt, sofern keine Täuschungsabsicht vorliegt. Dies kann einen positiven Einfluss auf das gesamte Arbeitsklima haben und signalisiert, dass dein Team jederzeit unterstützend zur Seite steht.


Fazit: Das Selbstbestimmungsgesetz als Chance für dich und dein Team


Das Selbstbestimmungsgesetz ist eine Chance, um Inklusion und Respekt am Arbeitsplatz neu zu definieren und zu leben. Du hast als Führungskraft die Möglichkeit, das Gesetz nicht nur als Verpflichtung, sondern als Gelegenheit zu verstehen, die Vielfalt im Team wertzuschätzen und ein Umfeld zu schaffen, in dem sich jede Person willkommen und anerkannt fühlt. Es ist okay, wenn du noch nicht alles weißt. Wir lernen alle ständig dazu und es zeichnet dich in deiner Führungskompetenz aus, wenn du eigenverantwortlich Wissensdefezite anerkennst und dich weiterbildest. Durch das Offenbarungsverbot, die Vermeidung von Deadnaming und Misgendern sowie durch Sensibilisierung kannst du Standards setzen, die das Wohlbefinden und die Zufriedenheit deines Teams stärken.


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